Johann Friedrich Städel hatte jeden Winkel seines Hauses mit Gemälden behängt. Daher ist es durchaus plausibel anzunehmen, dass er auch sein Treppenhaus als Ausstellungsfläche nutzte. Von diesem wissen wir, dass es ein eigener, abgeschlossener Raum war. Manche der hier gezeigten Gemälde besitzen ein außerordentlich großes Format und bilden einen prächtigen Auftakt für einen Besuchsrundgang.
Nach unserer Rekonstruktion stieg ein Besucher eine freitragende Treppe mit einem Zwischenpodest hinauf. Schon beim Wenden auf halber Geschosshöhe konnte der Eintretende damit zwei monumentale Tierstücke erblicken: Oben „Drei Adler, die sich um ein totes Reh streiten“ (Inv. Nr. 224), unten eine „Speisekammer mit Wildbret“, an der Städel vor allem der Streit zwischen Hund und Katze um ein Stück Lachs interessierte („Un chien et un chat se disputant une pièce de saumon […]“, Inv. Nr. 225) und die er irrtümlich dem berühmtesten aller flämischen Tiermaler, Frans Snyders, zuschrieb.
Rechterhand, an einem dem Kaminschlot vorgestellten schrägen Wandabschnitt, konnte man ein Stillleben mit luxuriösen Goldschmiedearbeiten erblicken (Inv. Nr. 223). Es galt lange als Original des Holländers Willem Kalf und wurde bereits durch Goethe bewundert: „Man muss dieses Bild sehen um zu begreifen, in welchem Sinne die Kunst über die Natur sei und was der Geist des Menschen den Gegenständen leiht, wenn er sie mit schöpferischen Augen betrachtet. Bei mir wenigstens ist’s keine Frage, wenn ich die goldnen Gefäße oder das Bild zu wählen hätte, dass ich das Bild wählen würde.“ (Goethe 1998, S. 420f.). Es ist allerdings nicht sicher, ob das Stillleben auch schon bei Goethes Besuch im Hause Städels im Jahr 1797 diesen prominenten Platz eingenommen hat, der erklären könnte, warum der Besucher so beeindruckt war. Im Falle eines zweiten Gemäldes, das Goethe besonders hervorhob, dürfte der damalige Anbringungplatz sicherlich nicht mit der für 1816 anzunehmenden Platzierung an einer ausgesprochen unauffälligen Stelle übereingestimmt haben. Goethe feierte das „Bildnis eines Kindes mit rotgefüttertem Strohhut“, das damals als Werk von Rubens galt (Inv. Nr. 230): „Unglaublich schön und natürlich gemalt, ohne Manier, des größten Meisters würdig, zu rein, ruhig und in einem höhern Sinne geschmackvoll für Rubens […]“. Dieses Bild nun hing dem Hängeplan von 1816 zufolge sehr hoch.
Neben der Tatsache, dass die im Hängeplan angegebenen, sehr unterschiedlichen „Divisionen“ (also die in sich abgeschlossenen Wandabschnitte) insgesamt überraschend gut zu unserer Treppenhaus-Rekonstruktion passen, spricht ein weiteres Argument für diese Lösung: Zu beiden Seiten der Tür in den Eingangsraum der Sammlung sind oben zwei halbfigurige Historiengemälde symmetrisch angeordnet. Eine Kopie nach der „Heiligen Familie“ von Anthonis van Dyck und (eine Kopie nach?) Pietro Liberis „Heiliger Oswald, neben ihm ein Engel, der seinen Helm hält“ repräsentieren niederländische und die italienische Barockmalerei (Inv. Nr. 214 und 238).