Am 13. November 1878 wurde der Neubau des Städel Museums am Schaumainkai eröffnet. Ein Jahr zuvor war dort bereits das Schulgebäude in Betrieb genommen worden. Der Umzug an das Sachsenhäuser Mainufer war umstritten, lag der neue Standort doch weit ab vom Stadtzentrum.
„[…] zu einer vollen Freude wollte es doch nicht kommen. […] Jeder würde sich freuen, wenn die Sammlung noch am alten Platze wäre.“
Bereits um 1850 hatte es Pläne gegeben, das Kunstinstitut an der Neuen Mainzer Straße zu erweitern. Fehlende Mittel sowie die Kriege 1866 und 1870/71 verhinderten auch einen Neubau an der Bockenheimer Landstraße. Dort war der ehemalige Leerse’sche Garten westlich der Unterlindau von der Städel-Administration erworben und zwischenzeitlich an den Zoo vermietet worden. Der gewinnbringende Verkauf dieses Grundstücks ermöglichte schließlich die Realisierung eines großzügigen Neubauvorhabens am heutigen Museumsstandort: die Errichtung eines großen und repräsentativen Museumsbaus und eines davon getrennten Gebäudes für die Kunstschule. Dies war nur auf einem günstig von der Stadt gekauften, ausgedehnten Terrain am Sachsenhäuser Mainufer außerhalb des damaligen Stadtgebietes möglich.
„Dieser Platz bot den Vortheil des guten Lichtes.“
Der Umzug des Städelschen Kunstinstituts nach Frankfurt-Sachsenhausen war Teil einer programmatischen Stadtentwicklung, wie sie heute nur mit der Ansiedlung der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Ostend zu vergleichen ist. Erst in den nachfolgenden Jahrzehnten wurden die Häuser auf den umgebenden Straßen errichtet.
„13. September [1878] hat der Inspektor und der Hausmeister zum erstenmal in dem Neubau geschlafen.“
Ein wichtiger Organisator des Umzugs war Inspektor Gerhard Malß (1819–1885). Der mit Philipp Veit gut bekannte, teilweise auch am Kunstinstitut ausgebildete Maler von Architektur- und Landschaftsbildern arbeitete seit 1849 am Museum. Als Gehilfe Johann David Passavants war er zunächst für die Katalogisierung und Neuordnung der Graphischen Sammlung zuständig. Noch heute zeugt seine Handschrift auf Mappen, Kisten und Passepartouts von dieser Tätigkeit. Nach dem Tod Passavants wurde Malß 1862 zum Inspektor berufen (Administrationsbericht 1863, S. 11f., Administrationsbericht 1888, S. 19). Malß muss die Neueinrichtung des Museums am Schaumainkai maßgeblich geprägt haben. Wir kennen von ihm Pläne für die Einrichtung von Graphischer Sammlung und Bibliothek oder auch für die Installation von Teilen der Gipsabgusssammlung. Auch die Hängepläne der Gemäldesammlung sind von seiner Hand. Sie bilden die Grundlage unserer Rekonstruktion.
Das neue Museumsgebäude wurde von Oskar Sommer (1840–1894), dem Lehrer der Architekturklasse am Städelschen Kunstinstitut, entworfen. Er benutzte die Formensprache der italienischen Hochrenaissance und orientierte sich an Sempers nur kurz zuvor entstandenem Dresdener Galeriebau. Der heutige Mainflügel des Städel Museums stand frei wie ein Palast. Ein Mittelrisalit mit Eingangstreppe und Kuppel betonte das Zentrum. Bereits am Außenbau konnte man die innere Struktur der Flügel ablesen: langgestreckte Säle wurden von quergelagerten kleineren Räume begleitet. Eckrisalite schlossen das Gebäude zu beiden Seiten ab. Während die großen Säle im Obergeschoss mit Oberlicht beleuchtet wurden, schlossen sich zur Straßen- und Gartenseite kleinere Kabinetträume mit Seitenlicht an.
Nach einer ersten, erfolglos verlaufenden überregionalen Ausschreibung 1873 wurden die Frankfurter Architekten Carl Jonas Mylius (1839–1883) und A. Friedrich Bluntschli (1842–1930) sowie Oskar Sommer aufgefordert, Pläne für Museum und Kunstschule vorzulegen. Die Grundstruktur beider Museumsentwürfe ähnelte einander und zeugte von engen Vorgaben der Administration. Sie besaßen aber auch ein verbindendes großes Vorbild: Die Dresdner Gemäldegalerie ihres gemeinsamen Züricher Lehrers Gottfried Semper (1803–1879). Sommers Vorstellungen wurden schließlich leicht verändert verwirklicht. Sie zeichnen sich durch eine stärkere plastische Gliederung der Fassade sowie eine hervorgehobene Kuppel aus.
Albrecht Dürer und Hans Holbein d. J. begrüßen bis heute die Besucher an der Fassade zu Seiten des Hauptportals. Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie als „die Hauptvertreter der deutschen Malerei“ gesehen (Administrationsbericht 1879, S. 40). In Gestalt zweier überlebensgroßer Standbilder von August von Nordheim (1813–1884) repräsentierten sie das neue Leitbild des Museums bereits im Eingangsbereich. Den Statuen waren zwei allegorische Reliefs zugeordnet: Eine junge Frau mit einer Lyra stellte die Poesie dar, eine zweite, alte Frau mit einer langen Schriftrolle die Geschichte. Beide bildeten die Grundlagen der (Historien-)Malerei.
Die Verschiebung hin zu einer rein deutschen Gegenüberstellung war sinnfällig. Im alten Museum an der Neuen Mainzer Straße hatte seit 1833 die italienisch-deutsche Paarung Raffael und Dürer den Ton angegeben. In Zeiten starken nationalen Selbstbewusstseins nach der Reichsgründung 1871 hatte sich jedoch auch das Bild der Kunstgeschichte verändert. Obwohl die Formensprache der Museumsarchitektur noch immer die italienische Renaissance zitierte, genügten nunmehr die deutschen Vorbilder. Von Dürer besaß das Kunstinstitut nicht nur drei Gemälde (Inv. Nr. 874, 890, 937), sondern auch eine reiche Sammlung graphischer Blätter. Der Holbein-Bestand war erst in jüngster Zeit um das „Bildnis des Simon George of Cornwall“ (Inv. Nr. 1065) vermehrt worden. Dass dieses Gemälde als Erstes in den Neubau einzog, war sicher kein Zufall.
Für die Trennung von Sammlungsräumen und Kunstschule wurden Brandschutzgründe angeführt. Tatsächlich markierte diese Entscheidung auch eine programmatische Verschiebung. Das Städelsche Kunstinstitut trat zuerst als selbstbewusstes Kunstmuseum in Erscheinung. Einzig die Dekoration am Museumsgebäude schlug den Bogen zur Akademie, die nun – ganz wörtlich – im Hintergrund stand.
Je zwei allegorische Figuren schmückten die Zwickel der Eckrisalite. Die Reliefs über den Fenstern des ersten Obergeschosses zeigten die Tugenden, die für das Entstehen der Kunst notwendig waren: An der Hauptfront sah man Liebe und Fleiß im Westen (rechts) und Schönheit und Wahrheit im Osten (links). Auf der Rückseite wurde die Bezugnahme zur Städelschule noch augenfälliger: Hier schmückten Studium und Frohsinn den östlichen Risalit. Als Einzige heute noch vollständig erhalten sind die Reliefs mit Kraft und Mäßigung an der Rückseite des westlichen Risalits.
Die Konzeption des Bildprogramms oblag dem Städelschul-Professor Gustav Kaupert (1819–1897), der sie zusammen mit drei weiteren lokalen Bildhauern – allesamt ehemaligen Städel-Schülern – ausführte.
Die Öffnungszeiten am Schaumainkai erweiterten sich 1878 nur wenig gegenüber der Jahrhundertmitte. Die Galerie war meistens von 11.00 bis 14.00 Uhr zu besichtigen – am Sonntag allerdings nur bis 13.00 Uhr, am Mittwoch dafür bis 16.00 Uhr. Für die Graphische Sammlung und die Bibliothek galten andere Zeiten: Sie waren am Montag und Donnerstag von 11.00 bis 13.00 Uhr, am Dienstag und Freitag von 11.00 bis 13.00 sowie von 16.00 bis 18.00 Uhr zugänglich.
„An allen hohen Festtagen ist die Anstalt geschlossen.“