„Von Jugend an nährte ich Liebhaberei an Malereien, Kupferstichen und andern Kunstsachen“
Johann Friedrich Städel starb am 2. Dezember 1816. Dem „Städelschen Kunstinstitut“ hinterließ er seine Kunstsammlung, sein Vermögen und sein repräsentatives Haus am Rossmarkt. Dieses hatte er 1780 erworben und bis 1785 umbauen lassen. Der Spezereienhändler und Bankier hatte seine Sammlung über ein halbes Jahrhundert lang zusammengetragen.
Das Frankfurt des 18. Jahrhunderts war von erfolgreichem Handel und geschäftigem Treiben geprägt. Der sichtbare Reichtum der Bürger versetzte die Zeitgenossen in Erstaunen.
„Die Kaufgewölbe bieten hier ein so geschmackvolles Aeußeres dar, die ausgelegten Waaren selbst sind so kostbar, daß man in dieser Beziehung kaum etwas Anziehenderes zu Paris zu schauen vermag.“
Einer dieser Frankfurter Händler, die Waren aus aller Welt feilboten, war Johann Friedrich Städel (1728–1816). Er bezog seine Waren wie Kaffee aus Java oder den Farbstoff Indigo über Amsterdam aus Übersee und verhandelte große Bankkredite quer durch Europa.
Johann Friedrich Städel besaß bei allem wirtschaftlichen Erfolg einen Sinn für Gerechtigkeit und unterschrieb seine Briefe gelassen-fröhlich mit „schönstens grüßt“. Seine Weitsicht und der Umfang seines geschäftlichen Erfolgs wurde den Zeitgenossen erst nach seinem Tod klar, als die Nachricht seiner bis heute lebendigen Städel’schen Stiftung bekannt wurde.
Städel scheint zurückgezogen gelebt zu haben, denn ein Frankfurter Mitbürger schrieb über ihn, er sei ...
„… keiner von den gewöhnlichen Wechselgeschöpfen, die ihre Nebenstunden mit prahlenden Gastmahlen und Gesellschaftsprunke verschwenden. Dieser kaufmännische Weise schmückt sie in freundlicher Stille mit Früchten der Kunst und des Wissens aus“
Als der 50-jährige Geschäftsmann nach dem Tod seiner Eltern reich erbte, kaufte er das für seine Zwecke perfekt gelegene Grundstück am Rossmarkt. Neben der Zeil war dieser Platz der vornehmste Ort der Stadt.
Hinterhäuser dienten als Lager, hier wohnten die Diener, in einem weiteren Gebäude zumindest zum Zeitpunkt seines Todes auch Städel selbst. Im Vorderhaus richtete er sein Büro, repräsentative Empfangsräume und seine Kunstsammlung ein.
Das Sammeln von Kunst war ein in Frankfurt typischer Zeitvertreib, an dem sich die vermögenden Händler erfreuten. Während Städels Kollegen sich gern auf holländische und Frankfurter Malerei verlegten, entsprach seine Sammlung dem zeitgenössischen europäischen Sammlergeschmack: Wenn gleich auch am Rossmarkt die Holländer dominierten, so wusste Städel doch auch italienische, flämische und deutsche Gemälde zu schätzen, während französische Malerei bei ihm kaum vertreten war (und dennoch stärker als bei seinen Frankfurter Sammlerkollegen). Für alle Malerschulen galt, dass Städel Werke der einschlägigen und anerkannten Künstler sein Eigen nannte, darunter auch Kopien von Werken, die die besten europäischen Sammlungen in München, Paris oder London zierten.
Städels Vorderhaus besaß sieben Fensterachsen über drei Stockwerke. Die Fassade zum Rossmarkt wird durch einen fünfachsigen Mittelrisalit gegliedert, der von einem Zwerchhaus mit Dreiecksgiebel bekrönt wurde. Eine solche Gestaltung war für Frankfurter Bauten des 18. Jahrhunderts typisch.
Wir können uns das Gebäude ähnlich wie Goethes Frankfurter Vaterhaus vorstellen. Das von Johann Caspar Goethe errichtet Haus ging zwar in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs unter, wurde aber nach dem Krieg rekonstruiert und beherbergt heute als Teil des Freien Deutschen Hochstifts das Frankfurter Goethe-Haus. Vater Goethe hatte sich ebenso wie Städel für einen Gebäudetyp entschieden, der seinerzeit unter den führenden Frankfurter Patrizierfamilien besonders geschätzt wurde.
Über einen Hinterhof gelangte man zu weiteren Gebäude, in denen Städel seinen Spezereienhandel unterbrachte. Hier befanden sich Lagerräume für Gewürze, Farben, Metalle, Zucker und Kaffee, aber auch Wohnräume für die Dienerschaft. In einem Hinterhaus wohnte Städel – zumindest zum Zeitpunkt seines Todes – selbst. Der Hinterhof besaß eine Zufahrt über den hinteren Grundstückszugang an der Schlesinger Gasse, samt Remisen für die Spedition.
Das Vorderhaus war den repräsentativen Geschäften und seiner Kunstsammlung vorbehalten. Ein Besucher betrat das Haus vom Rossmarkt aus. Empfangen von Städels livriertem Diener, konnte er rechts und links des Hausflurs das Büro („Comptoir“) und einen kleinen Salon („petit salon“) des Hausherrn sehen. Hier ging Städel seinen Geschäften nach. Man schritt durch den Flur in den im hinteren Teil des Hauses gelegenen Treppenvorplatz, von dem auch die Küche abging. Über das große Treppenhaus kam der Besucher in den ersten Stock zur Gemäldegalerie.
„Saw also the collection of pictures of Mons. Stadle, the only one in town; it contains some tolerable pictures, and good architectural drawings.“
Johann Friedrich Städels Galerie war für jeden, der sie sehen wollte, zugänglich. Die Besucher – Frankfurter, Reisende oder auswärtige Kunstkenner – mussten sich anmelden und wurden vom Sammler persönlich geführt. Städel veranstaltete aber auch abendliche Kunstbetrachtungen, zu denen er andere Sammler und Interessierte einlud.
Johann Wolfgang Goethe verbrachte 1797 drei Abende hintereinander in Städels Kunstsammlung. In größeren Abständen kam er immer wieder. Als eine der letzten wurde Johanna Schopenhauer von Städels durch dessen Sammlung geführt.
„Der ehrwürdige Greis empfing uns aufs freundlichste, und machte uns selbst, trotz seines hohen, mit manchen Beschwerden verknüpften Alters, auf seine vorzüglichsten Gemälde aufmerksam, deren Anblick ihn wieder zu verjüngen schien.“